März – Das Haus des Magiers

Im März inspirierte uns Melissa Etheridge mit “Come to my Window”. Carola Wolff schrieb dazu Love Fantastic, C. A. Raaven Was es ist und Maike Stein Auf dem Heimweg. Und weil der März wieder einmal fünf Montage hat, haben wir uns entschieden, am 29.03.’21 (statt eines Gastbeitrags) dieses Mal eine Lesung zu halten. Nähere Informationen dazu findet ihr auf unseren Social Media Kanälen und auf Facebook.


Das Haus des Magiers

Sefar spürte das Messer an seiner Hüfte, als er die Hauswand erklomm. Das Haus des Magiers war groß wie ein Häuserblock, mitten in einem dicht bewachsenen Garten, der von einer meterhohen Mauer von der Straße abgeschirmt wurde. Sefar ließ sich davon nicht aufhalten. Die Steinblöcke waren rau und grob gestapelt. Es war ihm ein Leichtes, an ihnen emporzuklettern.

Ein Schiebefenster im ersten Stock stand offen. Sefar schwang sein Bein über das Fenstersims, stützte sich mit den Handschuhen am Rahmen ab. Der Griff des Messers drückte sich in seinen Bauch.

Der Raum war groß – gigantisch. Bücherregale füllten jede Wand bis unter die Decke, die mehrere Meter über ihm lag. Gaslaternen erhellten den dunklen Raum. In der Nähe des Fensters ein Schreibtisch, bedeckt mit Schreibutensilien und schweren, ledergebundenen Büchern. Eine einsame Teetasse stand neben einer erleuchteten Lampe.

Der Magier stand am anderen Ende des Raums, den Kopf über ein Buch gebeugt. Er war jünger als Sefar erwartet hatte – mit dunklem, kurzem Haar und einer schmalen Hüfte, eher wie ein schlaksiger Student in einem Straßencafé als ein Hexer in seinem Turm. Anders sein Umhang aus langem, dunklen Stoff, und auch die Bücher, die sich in den Regalen hinter ihm stapelten und häuften, die schmale Galerie, dunkle Dielen, die fremdartigen Symbole an den Wänden.

Sefar bemerkte alle diese Dinge, aber sie kümmerten ihn nicht. Der Magier sollte sterben. Der Rest war ihm egal.

Er packte seine Waffe zwischen zwei Fingern und hob sie an die Schläfe. Ein Wurf, ein Treffer, dann wäre es getan.

Der Magier legte sein Buch ins Regal. Sefar atmete scharf ein, packte den Fensterrahmen, spannte die Muskeln seines Arms. Er sah, wie der Magier – ohne sich umzudrehen – seine Hände aufeinander presste, dann Funken, dann nichts.

 

Sefar spürte das Messer an seiner Hüfte, als er die Mauer erklomm. Das Haus des Magiers war groß wie ein Häuserblock, mitten in einem dicht bewachsenen Garten, der von einer hohen Mauer von der Straße abgeschirmt wurde. Die Steinblöcke waren rau und grob gestapelt. Es war ihm ein Leichtes, an ihnen emporzuklettern.

Ein Fenster im ersten Stock stand offen. Sefar schwang sein Bein über das Fenstersims.

Der Raum war gigantisch. Bücherregale reichten bis unter die Decke. In der Nähe des Fensters stand ein Schreibtisch, bedeckt mit Schreibutensilien und schweren, ledergebundenen Büchern. Und inmitten der Papierstapel saß der Magier, den dunklen Haarschopf über einen Wälzer gebeugt, eine Teetasse an seinem Ellenbogen.

Der Magier sah von seinem Buch auf. Sein Mund öffnete sich langsam. War das Angst? Sefar hoffte es.

„Du schon wieder“, sagte der Magier.

Schon wieder? Sefar zögerte. Es war nur für eine Sekunde, aber es war eine Sekunde zu viel. Der Magier presste seine Handflächen zusammen, und als er die Arme ausbreitete, sprühte zwischen ihnen ein Funkenregen hervor.

Sefar zuckte zurück – verlor seinen Halt, fiel rückwärts. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte er, nun doch Angst in den Augen des Magiers zu sehen, dann erfüllten Funken sein Blickfeld, dann nichts.

 

Sefar spürte das Messer an seiner Hüfte, als er die Mauer erklomm. Das Haus des Magiers war groß wie ein Häuserblock, die Steinblöcke rau und grob gestapelt. Es war ihm ein Leichtes, an ihnen emporzuklettern.

Die Fenster im ersten Stock war verschlossen. Sefar ließ sich davon nicht aufhalten. Er presste sein Messer in den Schlitz zwischen Fenster und Rahmen von einem davon und hebelte das Schloss herum, schob die Scheibe hoch und schwang sein Bein über das Fenstersims.

Die Lichter brannten, aber der Magier war nicht zu sehen.

„Ich dachte mir, ich probiere mal etwas Neues.“

Sefar zuckte herum.

Der Magier saß in einem Sessel, ganz in der Ecke neben dem Fenster, die langen Beine übereinander geschlagen. Seine Fingerspitzen waren aneinander gepresst. „Ich habe jetzt schon zwei Mal deine Erinnerung an mich gelöscht“, sagte er langsam, „und du bist trotzdem wieder hier.“

Sefar sagte nichts. Langsam, ohne seinen Blick von seinem Gegenüber abzuwenden, glitt seine Hand Richtung Messer.

Der Magier runzelte die Stirn. „Warum willst du mich töten?“

Sefar spürte das Holz des Griffs an seinen Fingerspitzen. Er starrte den Magier an, und der Magier starrte zurück.

Sefar packte zu. In einem Wimpernschlag hatte er das Messer gezogen und gezielt, aber Funken blendeten ihn. Goldenes Licht füllte sein Sichtfeld, und dann nichts.

 

Als er die Augen aufschlug, lag er auf dem Rücken. Der Magier hockte an Sefars Seite, sein Umhang auf die dunklen Dielen ergossen. „Ich habe nicht den Eindruck“, sagte er langsam, „dass du weißt, was du tust.“

Vorsichtig tastete Sefar nach seinem Messer, aber der Magier schüttelte den Kopf. „Ich habe dir deine Waffe abgenommen. Und die andere auch, und die andere auch.“

Sefar starrte ihn an.

Der Magier erhob sich ächzend. „Erspar‘ mir deine Kulleraugen.“ Er ging einen Kreis, machte auf dem Absatz kehrt und marschierte den Kreis wieder zurück. „Es ist irgendein Zauber, da bin ich mir sicher. Aber welcher?“ Er blieb stehen und sah auf Sefar herab. Langsam legte er die Handflächen aufeinander.

Aus diesem Winkel war er fast so groß wie seine unermesslichen Regale. Sefar zog die Schultern zusammen, aber in der eindringenden Dunkelheit schien der Magier das nicht zu bemerken. Die Flammen der Gaslampen wurden winzig klein, die Decke des Raums schien in weite Ferne zu rücken. Blitze krachten in der Luft. Donner ließ die Dielen beben. „Wer ist dein Meister?“, dröhnte es in Sefars Ohren.

„W-was?“, stotterte er.

„Hm.“ Der Magier biss sich auf die Lippe. Der Donner verstummte, die Blitze knisterten über die Bücher auf den Regalen und verschwanden. „Kein Seelenbann. Hm, hm, hm.“

Er ging noch eine Runde.

Sefars Daumen glitt unter seinen Gürtel. Er spürte das kühle Eisen seines vierten Messers, den Verschluss, der es im Leder versteckt hielt.

„Du bist doch-“ Mit einem frustrierten Geräusch packte der Magier, plötzlich an seiner Seite, Sefars wandernde Hand. Sefar zuckte in Erwartung eines erneuten Funkenregens zusammen, aber die Miene des Zauberers wurde plötzlich sehr interessiert. Er drehte Sefars Arm in seine Richtung und zeigte ihm ein Mal auf seinem Handgelenk. „Woher hast du diese Tätowierung?“

Sefar starrte das Symbol an, und die Finger des Magiers, die noch immer mit den seinen, in den dunklen Handschuhen, verschlungen waren. „Ich weiß es nicht“, brachte er hervor.

„Das ist sehr interessant.“ Nachdenklich drehte der Magier Sefars Hand erst in die eine, dann in die andere Richtung. „Das ist äußerst interessant.“

Sefar wusste nicht, was daran interessant war. Er wusste nicht einmal, warum es so wichtig war, dass er den Magier töte. Er musste es auch nicht wissen.

Der Magier erhob sich. „Ich muss da mal etwas recherchieren.“ Er tippte an seine Nase. „Ja, ich glaube … Weißt du was, wir sehen uns morgen.“ Er presste seine Handflächen aufeinander, und als er die Arme ausbreitete, folgte ein Funkenbogen seiner Bewegung. Sefar sah das Gesicht des Magiers, golden glänzend im Licht seiner Magie, und dann ein entschuldigendes Schulterzucken, und dann nichts.

 

Sefar spürte das Messer an seiner Hüfte, als er die Mauer erklomm. Das Haus des Magiers war groß wie ein Häuserblock, die Steinblöcke rau und grob gestapelt. Es war ihm ein Leichtes, an ihnen emporzuklettern.

Ein Fenster im ersten Stock stand offen. Sefar schwang sein Bein über das Fenstersims, stützte sich mit den Handschuhen am Rahmen ab.

Der Raum war groß – gigantisch. Bücherregale füllten jede Wand bis unter die Decke. In der Nähe des Fensters stand ein Schreibtisch, bedeckt mit Schreibutensilien und schweren, ledergebundenen Büchern. Und inmitten der Papierstapel saß der Magier, in seinem Sessel zurückgelehnt, die Fingerspitzen aufeinander gepresst, und sah ihm entgegen.

Sefars Hand glitt an seinen Gürtel.

Der Magier lächelte schräg. „Wusstest du, dass du eine Tätowierung auf deinem Arm hast?“

Sefar wusste nichts dergleichen, aber als er den Arm hob, war dort tatsächlich ein Mal in die Haut gestochen – deutlich erkennbar, aber scheinbar schon lange verheilt.

Er sah den Magier an. Seine Fingerspitzen berührten den Griff seiner Waffe.

Eine Teetasse stand dem Magier gegenüber, vor einem leeren Stuhl. Der Mann zeigte darauf. „Ich kann dir keine Antworten mehr geben, wenn du mich erdolcht hast.“

Sefar brauchte keine Antworten. Er hatte einen Auftrag, und der war, den Magier zu töten. Alles andere war egal.

Und doch …

Der Magier hob spielerisch die Brauen. „Was hältst du hiervon: Wenn ich es nicht schaffe, den Zauber, der auf dir ruht, zu lösen, darfst du wieder alle deine Waffen zücken.“ Er wies noch einmal auf den leeren Stuhl. „Aber du lässt es mich immerhin versuchen.“

Sefar sah den Magier an – richtig an, zum ersten Mal.

Mit dem Anflug eines Lächelns auf den Lippen erwiderte der Magier seinen Blick.

Sefars Hand löste sich von seinem Messer.