Im Juli war das Thema des phantastischen Montags das Lied “I Am the Fire” von Halestorm. Dazu gab es von Carola Wolff Die Königin der Welt, von C. A. Raaven Don’t und von Maike Stein Die Feuerdrach.
Den phantastischen Montag gibt es wie immer auch auf Facebook, Instagram und Twitch. Schaut doch mal vorbei. 🙂
Content Notice: Es geht um Nekromantie, d. h. Totenbeschwörung. Leichen sind dementsprechend eine Voraussetzung.
Nekromantie
Modriger Geruch schlug ihnen entgegen. Die steinernen Säulen des Kellergewölbes glänzten vor Feuchtigkeit – vor Fäule. Über ihnen wölbte sich die Decke und hüllte alles in ein schummriges Halbdunkel ein. Lautlos schlich Thompson die ausgetretenen Stufen hinunter und ging im Schatten einer Säule in Deckung. Den Kolben seiner Waffe hielt er dabei an seine Schulter gepresst, obwohl er nicht wusste, wieviel sie wirklich gegen ihren Gegner ausmachen würde. Das vertraute Gewicht in seinen Händen beruhigte ihn.
Er atmete tief ein, tief aus, dann spähte er in den Raum.
Auf dem steinernen Altar, zwischen Kerzen und teuflischen Symbolen, lag der reglose Körper eines Jungen. Er trug ein gestreiftes Oberteil, eine kurze Hose. Schuhe mit Klettverschlüssen. Seine farblosen Lippen waren leicht geöffnet, die Augen geschlossen – unschuldig. Leblos.
Thompson bedeutete Armadi und Garvas, ihre Positionen einzunehmen. Lautlos bewegten die beiden sich durch den Raum, Augen und Waffen stets auf den Mann in seiner Mitte gerichtet.
Der Nekromant stand alleine vorm Altar. Totenbeschwörer waren Einzelgänger, das hatte ihre Recherche ergeben. Thompson verzog das Gesicht. Natürlich. Wie konnte man sich dem Jenseits verschreiben, wenn es auf dieser Seite noch irgendetwas gab?
Der Nekromant, ganz in sein ledernes Buch vertieft, bemerkte sie nicht. Er trug einen gewaltigen Helm aus schwarzem Metall, unter dem nur ein höhnisch verzogener Mund zu sehen war. Sein Körper war von schwerer Rüstung geschützt; ein langer, dunkler Mantel hüllte ihn in Finsternis. Der Handschuh der Hand, die er auf die Stirn des Jungen legte, war mit Stacheln besetzt.
Am anderen Ende des Gewölbes wies Garvas mit dem Lauf ihres Gewehrs zwischen die Säulen. Thompson glaubte, im Halbdunkel noch weitere Körper zu erkennen – sorgsam eingehüllt und auf den steinernen Boden gebettet.
Thompson verzog das Gesicht. Er hatte noch nie verstanden, warum Nekromanten das taten, was sie taten. Was sie sich davon erhofften, Tote, wie Puppen, wieder zu einem fahlen Abglanz echten Lebens zu erwecken.
Der Hexer beugte sich über den Altar, über den Jungen. Er flüsterte etwas, das Thompson nicht verstand, und öffnete sein Buch.
„Jetzt!“, rief Thompson.
Es geschah alles gleichzeitig: Garvas und Armadi traten aus ihren Verstecken hervor, ihre Waffen direkt auf ihren Widersacher gerichtet. Der Nekromant sah auf – schrie wütend auf. Thompson zielte; sein Finger legte sich auf den Abzug.
Feuer loderte auf. Es blendete Thompson; schlug ihm so heiß ins Gesicht, dass er zurückzuckte. Er hörte Garvas und Armadi schreien. Und zwischen den Feuerbahnen, die sich gleißend über den steinernen Boden zogen, stand der Nekromant. Seine Rüstung glänzte im flackernden Licht. Schwarzes Höllenfeuer brannte in seinen Händen.
Entschieden hob Thompson seine Waffe erneut. Das Metall brannte in seinen Händen, aber er ließ sich davon nicht zurückschrecken. Er musste den Nekromanten aufhalten. Er musste.
Der Hexer lachte bitter.
Feuer schoss über den Boden. Dass dort nichts war außer Stein, kümmerte es nicht – es brannte lichterloh und trieb Thompson den Schweiß auf die Stirn. Flammen leckten an den grauen Säulen. Wenn der Nekromant in seiner schweren Rüstung etwas von der Hitze spürte, so ließ er sich nichts davon anmerken. Aber vielleicht spürte er auch einfach nichts mehr.
Am anderen Ende des Raums sah Thompson, wie auch Garvas und Armadi sich erneut in Position brachten. Trotz der Handschuhe schmerzten seine Finger. Lodernde Flammen erschwerten ihm die Sicht. Wenn er nicht bald ein klares Schussfeld bekam, würde der metallene Griff des Gewehrs zu heiß werden, um es festzuhalten.
Ein Krachen – Garvas hatte gefeuert. Blind. Die Kugel schlug oberhalb des Altars in die Decke. Als der Nekromant herumfuhr, drückte auch Thompson ab, aber die Kugel kam nicht einmal in die Nähe der schwarzen Rüstung.
„Genug!“ Mit einer heftigen Armbewegung schleuderte der Nekromant ihn zu Boden. Ein zweiter Schlag ins Nichts und auch Garvas und Armadi brachen zusammen. Thompson wollte sich wieder auf die Füße kämpfen, aber irgendetwas hielt ihn fest – hielt ihn an den Boden gepresst wie eiserne Bände.
Der Nekromant warf ihm noch einen letzten Blick zu – Augen wie Eis – und wandte sich zurück zum Altar. Thompson konnte nur hilflos zusehen, wie er sorgsam sein Buch wieder aufschlug. Wie er in der fremden Sprache vorlas, als hätte er alle Zeit der Welt. Die Kerzen auf dem Altar weinten in der Hitze. Der Nekromant sah nicht auf, bis er das letzte Wort gesprochen hatte, und legte dann das Buch behutsam beiseite.
Der Junge auf dem Altar setzte sich auf.
Thompson hätte geschrien, wenn er gekonnt hätte. Doch das Hexenwerk, das ihn an den kalten Boden kettete, raubte ihm den Atem; er brachte nur ein hilfloses Stöhnen heraus.
Mit offenem Mund sah das Kind sich um. Seine Pupillen waren glasig, seine Haut fahl. Als er den Nekromanten sah, wurden seine Augen groß.
„Papa?“
Der Nekromant … lächelte? „Komm her, mein Junge.“ Er breitete die Arme aus und der Junge warf sich bereitwillig hinein. Der Nekromant drückte das Kind an die harte Rüstung, die seinen Körper bedeckte. „Geht es dir gut?“
„Bisschen komisch“, gestand der Junge. Er fuhr mit den grauen Fingern über die dunkle Rüstung. Sein Blick huschte über die lodernden Flammen, über Thompson und Garvas und Armadi, die noch immer am Boden lagen. „Schwummrig.“
Der Nekromant küsste die Haare des Jungen, bevor er ihn auf den geschundenen Boden stellte. „Das geht vorbei.“
Der Junge sah zu ihm auf. „Es würde schneller vorbeigehen, wenn ich ein Eis hätte.“
„Ach ja?“ Grinsend fuhr der Nekromant ihm durchs Haar. Dann richtete er sich auf – blickte durch die Flammen zu Thompson herüber. Schwach versuchte Thompson, sich loszukämpfen, aber die höllische Magie hielt ihn noch immer gefesselt.
Der Nekromant verzog die Lippen. Er hob die Hände – schwarzes Feuer flammte in seinen Handflächen auf. Drohend wandte er sich dem Altar zu. „Lass mich noch eben deine Mama und Schwester wecken“, sagte er zu dem Kind. „Dann bekommst du dein Eis.“